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Permakultur-Ethik: „Earth care“

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In dem letzten Artikel „Permakultur – Teil der Lösung, nicht Teil des Problems“ versuchte ich mich der Frage „Was ist Permakultur?“ anzunähern.

Wie schon angedeutet, gehört zur Permakultur noch mehr als bloß die Definition natürliche Ökosysteme als Modell zur Gestaltung menschlicher Lebensräume zu nehmen. Beispielsweise die Permakultur-Ethik!
Und um genau diese wird sich dieser Artikel drehen :)

Die Permakultur-Ethik lässt sich zusammenfassen als: earth care, people care und fair shares.

„Earth care“ – Sorge tragen für die Erde

Auf diesem Bild ist der blaue Planet (die Erde) zu sehen. Aufgenommen mit Satellit. Schwarzer Hintergrund des Universums.

Author: WikiImages License: Public Domain Dedication (http://all-free-download.com)

Beginnend mit earth care lässt sich diese, nach Patrick Whitefield, dem Autor des umfangreichen „Earth Care Manual“, in zwei Strömungen unterteilen. Dadurch, dass beide dieser Strömungen vermutlich nie ganz strikt gelebt werden, entstehen weitere und weitere. Da es auf diese Weise viele verschiedene Ethikverständnisse gibt, gibt es eben auch nicht die Permakultur, sondern nur das grobe Gerüst, welches sich aus den drei Punkten der Ethik sowie den Prinzipien zusammen setzt.

Aber zurück zur earth care: Patrick Whitefield unterscheidet in „environmentalism“ und „ecology“. Dies, betont er, seien unterschiedliche Weisen des Denkens und Fühlens und nicht zwei menschliche Gruppierungen.

„Environmentalism“ – die Umweltschutzbewegung

Um nicht nur englische Begriffe zu verwenden, habe ich mir die Freiheit genommen, ein deutsches Pendant für „Environmentalism“ zu benutzen: die Umweltschutzbewegung.

Whitefield erklärt diese so: Das Verständnis beinhaltet, dass Menschen nicht Teil, sondern getrennt von der Natur sind. Deswegen wird auch gerne der Begriff Umwelt verwendet, welcher suggeriert, dass uns etwas umgibt, in das wir aber nicht zwingend involviert sind.

Pflanzen und Tiere werden als Ressourcen angesehen und ihr Wert nach der Nützlichkeit für den Menschen bemessen. Sorge tragen für die Erde wird aus menschlichem Eigennutz – also einer egoistischen Motivation – heraus als wichtig empfunden.

Whitefield’s Statement dazu ist:

„[…] as a human I find it only natural to consider my own kind before all others. Yet at a deeper level I know that it is fundamentally right to care for the Earth, wether it benefits us or not“.

(Eigene, freie Übersetzung: “Als menschliches Wesen finde ich es nur natürlich, mich um meine eigene Spezies vor allen anderen zu kümmern. Allerdings weiß ich auf einer tiefergehenden Ebene, dass es fundamental richtig ist, Sorge zu tragen für die Erde, egal ob es uns Nutzen bringt oder nicht.”)

Foto eines verrosteten Fahrzeugs im Wald.

Verschiedene Ethik-Verständnisse

Er kann also die egoistische Motivation der Umweltschutzbewegung nachvollziehen, konstatiert aber darauf folgend, dass es ethisch vertretbarer sei, Sorge zu tragen für die Erde, egal ob es „uns“ – der Menschheit – Nutzen bringe oder nicht.

Anschließend zeichnet er eine Abfolge in der menschlichen Ethik nach:

  • Die egoistische Lebensweise: Gut ist, was mir selbst zu Gute kommt
  • Gruppierungen generieren ein Wir-Gefühl und damit eine „in-group“ und eine „out-group“: Gut ist, was meiner „in-group“ (meiner Familie, Gemeinschaft, … ) Nutzen bringt. Aus verschiedenen Ausmaßen dieser Ethik resultieren Rassismus, Sklaverei, Krieg, auf Konkurrenz basierende Sportarten, …
  • Die humanistische Lebensweise, die allen Menschen den gleichen Wert zu spricht: Gut ist, was den meisten Menschen die meiste Zeit über Nutzen bringt. Whitefield merkt an, dass dies die momentan auf der Welt dominante Ethik sei – zumindest theoretisch. Ich würde ihm da widersprechen, denn sonst gäbe es in der Gesamtgesellschaft keine akuten diskriminierenden Tendenzen, Ausbeutung von Menschen sowie Alltagsrassismus.
  • Das Mitwelt-Verständnis, welches alle Lebewesen sowie die Gesundheit des Planeten ganzheitlich betrachtet: Gut ist, was dem ganzen Planeten zu Gute kommt. Whitefield konkludiert, dies sei der nächste Schritt in der menschlichen Ethik, denn ohne dieses Verständnis würden wir durch Zerstörung zu Grunde gehen.

„Ecology“ – das Mitwelt-Verständnis

Die zweite Strömung der „Earth care“ ist das Mitwelt-Verständnis. Auch hier habe ich selbst einen deutschen Begriff gewählt. Nach den Erläuterungen zur Ethik ist vermutlich schon klar, von welchem Verständnis hier ausgegangen wird: Die Menschen sind ein Teil der Natur, eine Spezies von vielen. Daraus folgt, dass alle Lebewesen Rechte haben, nicht nur menschliche Lebewesen.

Das Wort Mitwelt finde ich hier sehr passend, denn es impliziert, dass wir als Menschen mit unserer Welt sind und nicht im Zentrum von etwas uns umgebenden.
Wenn wir hingegen in natürliche Ökosysteme eingreifen, um unsere eigenen Bedürfnisse zu decken, bedeutet diese Veränderung oftmals einen Verlust an Diversität und Stabilität.

Whitefields Schlussfolgerungen daraus sind:

  • So viel der Erdoberfläche wie möglich unzerstört und unberührt von menschlichen Aktivitäten lassen. Da die Permakultur dazu beitragen könne, unsere Bedürfnisse durch kleine Gebiete zu decken, könne sie uns bei dieser Zielsetzung helfen.
  • Systeme, die wir entwerfen und umsetzen, sollten so wenig wie möglich von natürlichen Ökosystemen abweichen. Auch dies führe uns zurück zur ursprünglichen Inspiration der Permakultur.

Patrick Whitefield und die Ethik

Im Verlauf des Kapitels über die Permakultur-Ethik sowie in jenem über „Omnivor oder vegan?“ ist spannend zu beobachten, dass Patrick Whitefield sich ethisch gesehen scheinbar vollkommen zwischen den Stühlen befindet.

In der Theorie strebt er ein Mitwelt-Verständnis an, um einen Wandel nicht nur theoretisch zu begründen, sondern ihn auch zu leben. In der Praxis argumentiert er oft sehr humanistisch und es scheint durch, dass für ihn menschliche Ziele und Bedürfnisse mehr wiegen.

Ich finde es sehr schade, von einer solchen kognitiven Dissonanz zu lesen, denn ich denke, das, was uns wirklich inspiriert, sind authentische Menschen. Hören wir Theorie-Geplänkel, was dann doch nicht in die Praxis umgesetzt wird, kann das außerdem eine Legitimations-Strategie darstellen: „Ach, und dann hat er es doch nicht durchgezogen… Scheint also nicht so schlimm zu sein“, anstatt selbst einfach mal los zulegen.

Wo bleibt die Empathie?

Für mich fehlt der humanitären Lebensweise ein ganz wichtiger Aspekt: die Empathie. Meiner Meinung nach ist die Empathie ein wichtiges Gefühl, um gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Probleme nicht nur aus anthropozentrischer Motivation heraus ändern zu wollen, sondern die Ganzheitlichkeit zu erkennen. Diese ist wichtig, um zu verstehen, dass wir durch ein verinnerlichtes Mitwelt-Verständnis Herrschaftsstrukturen auflösen, Ausbeutung abbauen und Naturzerstörung verhindern können.

Durch ein neues Mitwelt-Verständnis möchten wir diese Missstände nicht nur beheben, weil uns eine nachhaltige Lebensweise mehr Nutzen bringt, sondern weil wir die Rechte aller Tiere und der Natur anerkennen. Ändern wir unser Verhalten nur aufgrund des Gedankens an den größtmöglichen Nutzen für den Großteil der Menschheit, würden wir jederzeit wieder zu ausbeuterischen Mechanismen greifen, sobald wir glauben, dass es nötig ist und uns mehr Nutzen bringen könnte. Erst wenn sich das Ethik-Verständnis komplett ändert, ist unser Lebensweise wirklich langfristig nachhaltig.

Was denkt ihr?

An welche Lebensbereiche denkt ihr zuerst, wenn ihr von den verschiedenen Ethik-Verständnissen lest? Kommen euch dann dazu Gedanken oder Situationen in den Kopf, die das verbildlichen?
Teilt gerne eure Gedanken, Anregungen, Meinungen in den Kommentaren mit!

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