Noch vor einem Jahr hab ich selbst immer den Kopf geschüttelt, wenn ich wieder von Menschen aus meinem Bekanntenkreis gehört oder gelesen habe, die „auf in den Süden“ wollten. Ein Grundstück suchen in Italien, Spanien, Portugal oder Frankreich. Diese Länder höre ich am häufigsten und hab mir dabei immer nur gedacht: Heißer und trockener als bei uns und dazu noch deutlich mehr Insekten. Warum sollte ich das jemals tun.
Heute, nur ein paar Monate später, sitze ich also hier am neuen Wirkungsort in Italien. Und gerade dieser Tage bestätigt sich, was mich immer von der Idee in den Süden zu gehen ferngehalten hat. Wie arg es ist, wenn es Tag für Tag 35 bis 40 Grad hat und nahezu kein Windstoß mal erfrischt. Wie wenig erholsam es ist, wenn man selbst nachts nur auf einer Decke im Freien liegend immer noch schwitzt.
Wilder Platz, feine Menschen
Und trotzdem liebe ich diesen Platz. Nicht weil er in Italien ist, da wiegen sich Vor- und Nachteile aus meiner Sicht sehr gut auf, sondern weil ich mich ganz einfach in ihn verliebt habe. In seine Wildheit, in seine Natur, in seine Abgeschiedenheit. Weil ich ihn, wie die bisherigen traumhaften Plätze, an denen ich dankenswerterweise leben durfte, eben nicht gezielt gesucht habe. Sondern weil wir ohne Druck, ohne Absicht zusammengekommen sind. Und weil jetzt aus dem nächsten netten Platz eben ein weiteres Paradies erschaffen wird. Durch gemeinsames Anpacken und streckenweise hartes Arbeiten.
Die Menschen, die hier in der Gegend leben und teils auch ähnliche Projekte im Aufbau haben, sind ein weiter großer Grund, warum ich hier hergekommen bin. Ähnlich tickende Menschen, die selbst auch ganz real anpacken und durch konkretes Handeln zeigen, wie sie sich eine enkeltaugliche Zukunft vorstellen. Die ebenso wie ich an einer Welt arbeiten, die Dank lustvoller Genügsamkeit und liebevoller Kooperation genug für alle hat und dabei den Spielraum für tiefe Zufriedenheit schafft.
Brombeeren über Brombeeren
Als ich letzten Winter zum ersten Mal die Flächen gesehen habe, auf denen ich gerade mit meinem guten Freund Silvio zusammen eben jenes neue Projekt starte, waren diese Flächen überwuchert von Brombeeren. Eine Brombeerwüste quasi. Und in diese Brombeerwüste haben wir gemeinsam mit einem Schwung von Menschen, die unserem Aufruf nach Mitarbeit gefolgt sind, erste Schneisen geschlagen. Danke Euch allen dafür!
Eine der Hauptaufgaben hier ist derzeit also, Flächen wieder urbar zu machen, die bis vor einigen Jahrzehnten hunderte Jahre lang als Kulturflächen genutzt wurden. Darum sind hier auch mitten in den toskanischen Bergen Terrassen an den Hängen angelegt und es existieren teilweise noch die ehemaligen Nutz- und Wohngebäude der Menschen, die hier gelebt, gearbeitet und sich weitestgehend selbstversorgt haben. Also werden die Brombeeren zurückgeschnitten, deren Wurzelstöcke mit Spitzhacken aus dem Boden geholt, mit Harken und Rechen der Boden nach weiteren dicken Wurzeln und großen Steinen durchsucht und davon befreit und am Ende durchgefräst.







Das Timing
Und all das eben nicht in der 40-Grad-Mittagssonne! Früh aufstehen heißt die Devise. Was nicht schwer ist und ganz ohne diesen völlig unnatürlichen Wecker gut funktioniert. Denn draußen im Freien schlafend, was wir hier liebend gerne machen, ist man jeden Morgen bei Dämmerungsbeginn schon beschenkter Gast in einem Vogelkonzert. Einfach aufstehen, sich an der Quelle das Gesicht kalt abwaschen und loslegen. Mit Dämmerungsbeginn ist bereits genug Licht für die meisten Tätigkeiten vorhanden und bis die Sonne über die umliegenden Bergkämme kommt, dauert es dann drei bis vier Stunden. Und in dieser Zeit ist es erst richtig angenehm kühl und später immer noch so, dass es sich gut arbeiten lässt.
Wenn es dann gegen 11 Uhr langsam unerträglich wird für körperliche Arbeit in der Sonne, sind bereits 6 Stunden Arbeit erledigt. Dann ist Zeit für Gemeinschaftspflege, für ein ausgiebiges Essen, einen Mittagsschlaf, diesen Artikel zu schreiben und ähnliches, bis es dann am späten Nachmittag wieder gut möglich ist, nochmal für ein paar Stunden im Freien zu arbeiten. So entstehen langsam die ersten Gartenflächen und obwohl wir ein bisserl spät dran sind, freuen wir uns über alles, das zu wachsen beginnt. Die hier etwas längere Saison wird diesen Rückstand schon ausgleichen.







Gemeinsam haben alle mehr
Und dieser Rhythmus, früh aus dem Bett, mittags sehr gemütlich angehen, hat sich auch bei den Teilnehmer*innen der beiden Pionier-Wochen eingestellt. Diese waren Ende Mai und Anfang Juni. Die oben gezeigten Bilder stammen von dort. Euch, ihr lieben und fleißigen Menschen, danke ich hiermit nochmal ganz herzlich für das, was ihr hier eingebracht habt. Es war schön, mit Euch wieder zu erleben, wie sehr sich Gruppen gegenseitig beschenken und es war fein in Eurem Feedback immer wieder zu hören, wie sehr ihr Euch bereichert gefühlt habt.
DANKE! :)
Wer zu einem anderen Zeitpunkt mal mitmachen möchte, hier oder an einem der anderen Höfe hinter dem Experiment Selbstversorgung, kann sich für den Höfe-Newsletter anmelden, über den anstehende Mitmach-Wochen und ähnliches ausgeschickt werden.